Musik: Jerry Bock
Liedtexte: Sheldon Harnick
Buch: Joseph Stein
Die Geschichte spielt im Dörfchen Anatevka in der heutigen Ukraine im Jahr 1905. Seine Bewohner leben mit Stolz und Begeisterung in alten Traditionen, haben aber mit bedrückender Armut und regelmäßigen antisemitischen Ausschreitungen zu kämpfen. Der Milchmann Tevje lebt mit seiner Frau Golde und seinen fünf Töchtern und bewahrt auch unter widrigsten Umständen seinen Lebensmut und seinen Humor und findet Kraft in seinem Glauben: In den schönsten Farben malt er sich aus, was er tun würde, wenn er einmal reich wär’.
„Herr, du hast gegeben in die Welt viele arme Menschen.
Ich weiß, es ist keine Schande, arm zu sein.
Aber eine besondere Ehre ist es, weiß Gott, auch nicht“
Als sei die Last nicht schon groß genug, werden nun Tevjes unerschütterlich weitergeführten Tradition durch die Heiratsabsichten seiner drei ältesten Töchter gleich auf mehrere harte Proben gestellt: Er wünscht sich andere Schwiegersöhne als einen armen Schneider oder einen revoltierenden Studenten. Tevje hadert mit den Heiratswünschen seiner Töchter, wägt in das Für und Wider ab. Er erlebt das Infragestellen seiner Tradition, willigt aber in die Heirat Zeitels mit Motel ein und lässt, obwohl es ihm schwerfällt, die Verlobung Hodels und später ihren Umzug nach Sibirien, wo sie Perchik heiraten will, zu. Als Chava, die dritte Tochter, sich gegen seinen Willen mit einem Russen vermählt, wird sie von Tevje zunächst verstoßen, erst am Schluss findet eine Versöhnung statt.
„Wir bleiben, weil Anatevka unsere Heimat ist.
Und was uns unser seelisches Gleichgewicht erhält, das ist mit einem Wort gesagt:
Tradition! Dank unserer Tradition haben wir bisher unser Gleichgewicht seit vielen, vielen Jahren gehalten.“
Unterdessen nehmen die Judenpogrome weiter zu. Anatevka wird geräumt und Tevjes Familie endgültig auseinandergerissen. Was bleibt, ist die Hoffnung auf ein späteres Wiedersehen. Mit ihnen geht der Fiedler, denn an der unsicheren Existenz der Vertriebenen wird sich auch anderenorts nichts ändern.
Anatevka zählt zu den großen Musicalklassikern des 20. Jahrhunderts, bricht aber so manche Konvention des Genres, wofür dieses Chor- und Ensemblestück mitunter auch als „Melancholical“ bezeichnet wird. Joseph Stein griff für sein Buch auf die Erzählung „Tewje, der Milchmann“ (1916) von Scholem Alejchem zurück, der zu den bedeutendsten Mitbegründern der jiddischen Literatur zählt. Jerry Bocks Partitur verbindet ausgelassene Tanzmusik, rituelle Weisen und Melodramen zu einem ganz eigenen, melancholischen Sound. Unter dem Originaltitel Fiddler on the Roof – in Anlehnung an ein Gemälde Marc Chagalls – erlebte Anatevka am 22. September 1964 die umjubelte Uraufführung am Broadway und wurde im Folgejahr mit neun Tony Awards ausgezeichnet.
Fotos: Othmar Fetz
Fotos: Ina Schuller